Translate

Dienstag, 3. November 2015

Heimatschottland Heimatland

Heimatschottland war zu meiner Kinderzeit ein Ersatzfluch für Heilanddonner. Was man nicht in Anwesenheit Erwachsener sagen durfte. Von Erwachsenen habe ich es aber gelernt. Genauso wie heute die Jungen von Erwachsenen lernen über Ausländer zu fluchen oder sie gar zu hassen. 30% der Schweizer BürgerInnen haben diesen Herbst der Hasslinie der SVP zugestimmt, weil wir ein "Asylchaos" haben sollen.

Als ich ein Jugendlicher war, gingen wir auf die Strasse und demonstrierten gegen den Vietnam-Krieg, gegen den Militär-Umsturz in Chile. Wir waren Friedenstauben und lebten in Friede, Freude, Eierkuchen. Im Schweizer Film "Heimatland" ist keine Rede davon. Hier geht es in einer Parabel zur Sache. Nämlich der Analyse des Zustandes einer desorientierten Schweizer Bevölkerung, die sich von einer zahlungskräftigen Minderheit von 10% der stimmberechtigen Bevölkerung ins Boxhorn jagen lässt. Vor unserer Haustüre tobt seit vier Jahren ein Bürgerkrieg mit Millionen von vertriebenen Menschen, die sich diesen Herbst losgemacht haben aus ihren elenden Zeltstädten und sich auf den Weg nach Europa begaben. Wie eine Wolke treiben sie nach Mitteleuropa. Unheilsschwanger, alles bedrohend. So wird es im Film symbolisch dargestellt. Die beiden Jungregiesseure haben vor vier Jahren mit der Idee zu diesem Film begonnen. Da haben sie noch nicht wissen können, was wirklich auf Europa zukommen wird. Was sie wussten war, dass eine extremistische Politsekte das Schweizer Volk unablässig aufhetzt gegen andere Minderheiten, faschistoide Wahlkämpfe führt und so Schritt für Schritt die politische Agenda beherrscht, die jenseits der Wirklichkeit Themen setzt. Sinnlose, nur dem Zweck des unablässigen Machtaufbaus der Milliärdäre und Multimillionäre dienend. Im Herbst 2015 ist die Drohkulisse über dem Land Schweiz keine Fiktion mehr. Die Realität hat sie eingeholt. Soviel Fantasie hatten die 10 Filmemacher nicht, um nun eine Dystopie vorzulegen. Sie dokumentierten Realität. Ungewollt, aber mit zwingender Logik.

10 junge Filmautoren und -regiesseure haben gemeinsam einen dichten, manchmal schier unerträglich dichten Film produziert, dem jede Heiterkeit abgeht. Das sei schon verraten. Dort wo Hollywood etwa nach zwei Drittel des Filmes einen Höllenspektakel, generiert mittels Grafikcomputern, der uns seelische Erleichterung gebracht hätte, weil ja bei Hollywood die Guten in solchen Szenerien überleben, treibt Heimatland unbeirrt den Horror weiter. Und die "Guten" überleben es nicht, nur die "Zweitguten" entkommen dem, was in unseren Hirnen und Seelen schon längstens zum desaströsesten Sturm den wir je gesehen und überlebt haben. Auch das sei verraten. Ein richtig guter Kinofilm. Er sei hiermit dringend empfohlen.

Fazit: Unbedingt im Kino mit anderen Schweizern ansehen! Ich habe es auch getan und zwar mit Neo-Nationalrat Erich Hess und dem Ungewählten Thomas Fuchs. Sie haben es überlebt, ich habe sie überlebt.
Und: unbedingt die Karriere der Macher weiterverfolgen. Da sind Hochtalente am Werk gewesen. Und: nach dem Film sich sagen: Heilanddonner Schweiz, so kann es nicht weitergehen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen